Hintergrund
Caritas Regional Fachbeitrag Lücken im System

Die Schweiz verfügt über ein gut ausgebautes System der sozialen Sicherheit. Dies bedeutet aber nicht, dass auch alle Menschen genug zum Leben haben, denn im System klaffen ernstzunehmende Lücken.

Dass die soziale Absicherung mangelhaft ist, zeigt sich zum Beispiel bei der Arbeitslosenversicherung: Wer seine Anstellung verliert, hat ein Anrecht auf Arbeitslosengeld. Dieses ist aber bei Weitem nicht in allen Fällen existenzsichernd. Wenn jemand vorher zu einem Tieflohn oder in Teilzeit gearbeitet hat, etwa um Kinder zu betreuen oder kranke Angehörige pflegen zu können, reichen 80% dieses früheren, bereits sehr knappen Einkommens nicht mehr zum Leben. Auch all jene, die keine fixe Anstellung haben und zum Beispiel Arbeit auf Abruf leisten, sind gegen Erwerbsausfall ungenügend abgesichert – und haben zudem später eine schlechte Altersvorsorge.

Die Schwachstellen sind zahlreich: Selbstständige mit tiefem Einkommen sind häufig nicht gegen Krankheit und Unfall versichert, weil dies nicht obligatorisch ist und die Prämien sehr hoch sind. Auch die Renten der Alters- und Hinterlassenenvorsorge (AHV) und der Invalidenversicherung (IV) sind oft nicht existenzsichernd. Ergänzungsleistungen gleichen diese Lücke aber aus.

Nicht zum Sozialamt – aus Scham

Wenn Leistungen aus den Sozialversicherungen fehlen, nicht ausreichen oder wie bei der Arbeitslosenversicherung nach einer gewissen Zeit auslaufen, dann bleibt den Betroffenen meist nur der Gang zum Sozialamt. Allerdings verzichten viele Betroffene auf die Sozialhilfe, weil sie sich schämen oder – im Falle von Personen ohne Schweizer Pass – weil sie befürchten müssen, ihr Aufenthaltsrecht zu verlieren. Auch sie fallen somit durch die Lücken des Systems.

«Die Sozialhilfe ist zu tief angesetzt»

Wer Sozialhilfe bezieht, hat auch nicht unbedingt genug zum Leben. Die Sozialhilfe ist gemäss Erfahrung der Caritas-Sozialberatungen zu tief angesetzt, um über längere Zeit den minimalen Lebensunterhalt zu decken. Studien stützen diese Einschätzung. Der Grundbedarf in der Sozialhilfe orientiert sich an den Ausgaben der untersten 10 Einkommensprozent der Bevölkerung. Eine Einzelperson erhält demnach 1031.– Franken für den Lebensunterhalt, eine 4-köpfige Familie 2206.– Franken (der effektive Mietzins und die Krankenkassenprämien werden separat ergänzt).

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Das bedeutet aber nicht, dass dieser Betrag auch tatsächlich zum Leben ausreicht – es ist schlicht nicht mehr Geld zum Ausgeben da. Besonders perspektivenlos ist die Situation von Personen, die Asylsozialhilfe beziehen – also Menschen mit Status N, S oder F. Ihnen mutet das Asyl- und Ausländergesetz die kaum mehr lösbare Aufgabe zu, ein Auskommen mit teils deutlich tieferen Ansätzen zu finden.

Menschen knapp über der Armutsgrenze haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe, leben aber aufgrund der zu tiefen Schwelle trotzdem häufig in prekären Verhältnissen. Insbesondere Familien befinden sich in diesem kritischen Einkommensbereich. Diese Menschen mit knappem Budget leiden stark unter den aktuell steigenden Preisen, da sie fast ihr ganzes Einkommen für Konsumausgaben, also den täglichen Bedarf, aufwenden und kaum sparen können.