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Armut in der Schweiz
In der Schweiz sind rund 1,34 Millionen Menschen armutsgefährdet, Tendenz steigend. Dennoch ist über Armut wenig bekannt. Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit sind jedoch für Betroffene die Realität. Armut kann alle treffen: Sie ist nicht naturgegeben, sondern das Ergebnis unserer politischen und gesellschaftlichen Strukturen. Gemeinsam können wir der wachsenden Ungleichheit entgegentreten. Eine Schweiz ohne Armut ist möglich.
Wann gilt eine Person in der Schweiz als arm?
Eine Person in der Schweiz ist arm, wenn ihr Einkommen nicht reicht, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – das heisst, wenn ihr verfügbares Einkommen unterhalb der Armutsgrenze ist. Diese liegt in der Schweiz aktuell bei 2289 Franken pro Monat für eine Einzelperson oder bei 4010 Franken für eine Zweielternfamilie mit zwei Kindern unter 14 Jahren (BFS 2022).
Was sind Ursachen für Armut in der Schweiz?
Oftmals führt ein unerwartetes Ereignis im Leben zu Armutsbetroffenheit, etwa der Verlust der Arbeitsstelle, die Flucht in ein anderes Land, eine schwere Krankheit oder ein Unfall. Auch der Übergang in eine andere Lebensphase (wie die Geburt eines Kindes oder eine Scheidung), Langzeitarbeitslosigkeit oder ein tiefes Bildungsniveau stellen ein Armutsrisiko dar.
Nimmt die Armut hierzulande aktuell eher zu oder ab?
Die Armut in der Schweiz nimmt seit 2014 zu. Krisen wie die Corona-Pandemie oder ein starker Anstieg der Preise erschweren die Situation von armutsgefährdeten und -betroffenen Menschen zusätzlich.
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702’000
Menschen waren 2022 in der Schweiz armutsbetroffen.
100’000
Kinder litten 2022 in der Schweiz unter Armut
1’340’000
Menschen galten 2022 als armutsgefährdet
Arm in einem reichen Land
In Haiti bedeutet Armut, kein Dach über dem Kopf zu haben. In der Schweiz hingegen sind Menschen arm, deren Einkommen nicht für ihren Lebens¬unterhalt ausreicht, die sich weder Krankenkasse noch genügend Wohnraum leisten können oder für die ein Zahnarztbesuch unerschwinglich ist.
Wie viele Menschen leben in Armut?
Im Jahr 2022 waren in der Schweiz 702’000 Menschen armutsbetroffen. Unter ihnen sind überdurchschnittlich viele Alleinerziehende und Menschen mit geringer Ausbildung, die nach einem Stellenverlust keine neue Arbeit finden. Zählt man all jene Menschen dazu, die nur sehr knapp über der Armutsgrenze leben, ist die Zahl fast doppelt so hoch: 1,34 Millionen Menschen gelten als armutsgefährdet. Sie haben ein deutlich tieferes Einkommen als die Gesamtbevölkerung. Unter ihnen sind überdurchschnittlich viele Familien mit drei und mehr Kindern.
298'000 Männer und Frauen sind trotz Erwerbsarbeit armutsgefährdet – sie sind sogenannte Working Poor. Armutsgefährdet sind auch rund 270'000 Kinder. Armut ist in der Schweiz also kein Randphänomen.
Wie sieht das Haushaltsbudget am Existenzminimum aus?
Das Haushaltsbudget wird in der Sozialhilfe auf Basis der Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) für eine Person sowie für Eltern mit zwei Kindern berechnet (je nach Bedarf können individuell weitere Budgetposten berücksichtigt werden). Mit dem Betrag für den Grundbedarf werden neben Nahrung auch Kleidung, Körperpflege, Energieverbrauch, Ausgaben für Verkehr etc. bezahlt, also alle Dinge des täglichen Gebrauchs. Für Bildung, Medien, Vereinsbeiträge und Hobbys bleibt in der Regel kaum mehr etwas übrig. Darunter leiden vor allem soziale Kontakte.
Grundbedarf für den Lebensunterhalt nach SKOS:
CHF 1031.– (per Januar 2023)
+ tatsächliche Miete
+ Krankenversicherungsprämie
Grundbedarf für den Lebensunterhalt nach SKOS:
CHF 2206.– (per Januar 2023)
+ tatsächliche Miete
+ Krankenversicherungsprämien
Wann gilt jemand als armutsgefährdet?
Als armutsgefährdet werden Personen bezeichnet, die ein deutlich tieferes Einkommen als die Gesamtbevölkerung haben – nämlich weniger als 60% des mittleren Einkommens. Im Jahr 2022 liegt die Armutsgefährdungsgrenze für einen Einpersonenhaushalt bei 2'587 Franken pro Monat (BFS 2022).
Die Situation dieser Menschen ist prekär, das heisst eine unerwartete Ausgabe von über 2000 Franken könnte die Person oder Familie nicht bewältigen und würde sie in Armutsbetroffenheit führen. Armuts¬gefährdete Personen riskieren, sozial ausgeschlossen zu leben, weil sie sich viele gemeinschaftliche Aktivitäten schlichtweg nicht leisten können.
Wer ist besonders armutsgefährdet?
Kinder aus armutsbetroffenen Familien haben ein erhöhtes Risiko, auch als Erwachsene armutsbetroffen zu sein. Weitere Risikogruppen sind Alleinerziehende, Unterhaltspflichtige, Familien mit drei und mehr Kindern, wenig qualifizierte Arbeitnehmende, Migrant*innen sowie Alleinstehende und Tieflohnbeziehende. Frauen sind zudem häufiger betroffen als Männer.
Armut ist ein strukturelles Problem. Sie ist meist das Resultat von Umständen, die Betroffene selbst kaum beeinflussen können.
Was bedeutet «Working Poor»?
Working Poor sind erwerbstätige Personen, die trotz einer Arbeitstätigkeit nicht genug zum Leben haben. In der Schweiz gibt es 298’000Personen, die trotz Erwerbstätigkeit armutsgefährdet sind. 709’000 Personen leben in einem Working-Poor-Haushalt. Besonders betroffen sind Alleinstehende, Personen ohne nachobligatorische Ausbildung und nicht ganzjährig Erwerbstätige.
Tieflohnstellen sind etwa in der Reinigung, der Gastronomie oder in der Logistik anzutreffen. Nebst dem Lohn haben aber auch andere Faktoren, wie die Anzahl der Kinder oder der dadurch reduzierte Erwerbsumfang, Einfluss auf die finanziellen Verhältnisse. Die Corona-Pandemie hat die finanzielle Situation der Working Poor nochmals verschärft: Tieflohnjobs waren überdurchschnittlich oft von Kurzarbeit und Lohneinbussen betroffen.
Warum genügt für Armutsbetroffene das Netz unseres Sozialstaates nicht?
Die heutigen Sozialversicherungen decken verschiedene Armutsrisiken ab: Alter (AHV), Krankheit/Invalidität (IV) und Arbeitslosigkeit (ALV). Doch besonders die letzten beiden stehen unter grossem Spardruck: Leistungen werden abgebaut und Zugänge erschwert, was immer mehr Leute dazu drängt, Ergänzungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig werden Entlastungsmöglichkeiten wie die Prämienverbilligungen oder die Kleinkinderbetreuungsbeiträge zunehmend abgebaut.
Hinzu kommt, dass ein grosser Teil der Menschen, die unter oder an der Armutsgrenze leben, keine Sozialhilfe empfangen, weil sie sich schämen oder mögliche Konsequenzen fürchten – wie zum Beispiel den Verlust ihres Aufenthaltsstatus. Caritas verpflichtet sich, den Menschen zur Seite zu stehen, die nicht durch das Netz unseres Sozialstaates aufgefangen werden. Unser Engagement ist subsidiär und füllt für Armutsbetroffene die Lücken, die der Staat hinterlässt.
Risiken für Armut in der Schweiz
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Schlechtere Startbedingungen
Kinder müssen ausprobieren, entdecken und sich bewegen können. Bei benachteiligten Familien sind aber die Wohnungen oft viel zu eng, die Umgebung zu unsicher und den Eltern fehlen Zeit und Geld, um ihre Kinder angemessen zu begleiten. So haben diese bereits bei Kindergarteneintritt schlechtere Startchancen. Das hat schwerwiegende Folgen, weil mangelnde Bildung das Armutsrisiko markant erhöht. Wenn man als Kind bereits armutsbetroffen ist, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, auch als erwachsene Person darunter zu leiden.
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Prekäre Arbeitsverhältnisse
Wer über keine anerkannte Ausbildung verfügt, hat geringere Chancen auf ein existenzsicherndes Einkommen und muss meist in prekären Jobs, zu einem tiefen Lohn und in niedrigen Pensen arbeiten. Dies reicht oftmals nicht, um sich selbst oder gar eine Familie zu ernähren, mindert die soziale Anerkennung und führt zu einer tiefen Rente im Alter. In vielen prekären Anstellungen, wie beispielsweise Arbeit im Stundenlohn, ist die soziale Absicherung mangelhaft. Eine Weiterbildung zur Erhöhung der Chancen auf eine gute Arbeitsstelle können sich nur die wenigsten leisten.
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Gute Gesundheit ist teuer
Die Krankenkassenprämien steigen seit Jahren und sind für Haushalte mit tiefen Einkommen kaum mehr zu stemmen. Bereits der Selbstbehalt von 10 % übersteigt ihre finanziellen Möglichkeiten. So wählen viele Menschen eine hohe Franchise, um Prämien zu sparen. Mit fatalen Folgen: Sie verzichten auf notwendige Arztbesuche und Medikamente, weil sie die Kosten selbst bezahlen müssten. Oder sie verschulden sich. So häufen sich neben den gesundheitlichen oftmals auch die finanziellen Schwierigkeiten.
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Armutsrisiko für Familien
Kinder sind für viele das Schönste der Welt. Doch leider auch häufig ein nicht zu unterschätzendes Armutsrisiko. Viele Eltern – vor allem Mütter – reduzieren das Erwerbspensum, weil Betreuungsangebote viel zu teuer sind oder, beispielsweise bei Schichtarbeit, keine zielführende Lösung bieten. Die Folge sind tiefere Einkommen, mit denen nun noch mehr Personen im Haushalt versorgt werden müssen. Dies kann im Alter zu geringeren Renten führen und das Risiko von Altersarmut erhöhen.
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