08.10.2025

Ein gutes Blatt fürs Leben

Barbara ist Copilotin und Jasspartnerin für Lhamo und ihren Sohn Lobsang. Zwischen Trumpf und Stichen verbessern sie gemeinsam seine Bildungschancen und stärken die Familie.

Autorin: Marlen Stalder

«11 + 3 + 10 + 5 + 14 für die Trumpf-Neun. 43 Punkte – bravo!» In einem kleinen Wohnzimmer in Sarnen werden Punkte gezählt. Rund um den Couchtisch sitzen Lhamo, ihr Sohn Lobsang und Barbara. Der Dreierjass gehört inzwischen fest zum Programm, wenn Barbara die kleine Familie für ihren zweiwöchentlichen Austausch am Mittwochnachmittag besucht. Als freiwillige Copilotin im Mentoring-Programm von Caritas Zentralschweiz begleitet sie Lhamo bei Fragen rund um den Schulalltag und die Förderung ihres Sohnes.

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Nachdem die wichtigsten Fragen besprochen sind, freut sich Lhamo auf die Jassrunde mit ihrem Sohn und Barbara.

Die Tibeterin ist vor elf Jahren in die Schweiz gekommen und lebt mit ihrem siebenjährigen Sohn alleine. In Tibet konnte sie nur zwei Jahre die Schule besuchen und hat dort Chinesisch gelernt. «Das ist nicht vergleichbar mit der Schule in Sarnen», sagt die 34-Jährige. Der Schulalltag hier verlangt viel von den Eltern: Mitteilungen verstehen, Formulare ausfüllen, Hausaufgaben betreuen, Gespräche mit Lehrpersonen führen. «Es ist gut, zu wissen, dass Barbara bald wiederkommt, wenn ich einen Brief nicht verstehe.» Barbara ist 61 Jahre alt, in Obwalden aufgewachsen und kennt das hiesige Schulsystem aus eigener Erfahrung: als Schülerin, Mutter und Grossmutter. Dieses Wissen gibt sie nun weiter. «Vieles schaffen die beiden sehr gut allein. Lhamo hat ein starkes Netzwerk, bekommt auch Unterstützung von der Lehrerin und ihrer Chefin. Trotzdem tut es gut, jemanden an der Seite zu wissen.»

«Es ist gut, zu wissen, dass Barbara bald wiederkommt, wenn ich einen Brief nicht verstehe.»

Die regelmässigen Jassrunden zeigen, dass bei den Treffen nicht nur Fragen zum Schulalltag im Mittelpunkt stehen. Da Lhamo berufstätig ist, verbringt Lobsang zwei Tage pro Woche in der KITS-Betreuung der Schule oder einer Tagesfamilie auf einem Bauernhof. Von dort bringt er regelmässig neue Themen mit nach Hause. Oft sind es Dinge, die auch für seine Mutter neu oder ungewohnt sind. Barbara hilft dann, Zusammenhänge oder Wörter zu erklären – eine Art gelebte Kulturvermittlung. So kam auch das Jassen ins Spiel. «Lobsang hat bei seiner Tagesmutter jassen gelernt und wollte, dass ich das Spiel seiner Mutter beibringe», erzählt Barbara. Seither spielen sie gemeinsam ein paar Runden, nachdem sie aktuelle Fragen besprochen haben. «Im Gegenzug erzählen mir Lhamo und Lobsang viel über Tibet – das ist für mich ebenfalls lehrreich.»

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Als Copilotin teilt Barbara ihre Erfahrung aus dem Schulsystem und pflegt mit Lhamo und Lobsang ein Stück Schweizer Spielkultur.

Dass Lobsang aktiv an den Treffen teilnimmt, spiegelt die Lebensrealität Alleinerziehender wider. Am Mittwochnachmittag ist der Siebenjährige zu Hause und sucht die Aufmerksamkeit beider Frauen. In solchen Situationen unterstützt Barbara Lhamo auch bei erzieherischen Fragen: «Als Alleinerziehende immer konsequent sein zu müssen, ist anstrengend. Zu zweit gelingt es oft leichter, Lobsang Grenzen aufzuzeigen, wenn wir ungestört sprechen wollen.»

«Als Alleinerziehende immer konsequent sein zu müssen, ist anstrengend.»

Seit rund einem Jahr treffen sich die drei regelmässig. «Dieses Engagement hat meinen Blick geöffnet dafür, wie es ist, als alleinerziehende Migrantin in der Schweiz zu leben, dabei ein Kind grosszuziehen und sich in einem neuen Schulsystem zurechtzufinden», sagt Barbara. Sie empfindet den Einsatz als bereichernd – und das bei überschaubarem Zeitaufwand.

Was für Barbara einige Stunden im Monat sind, bewirkt für Lhamo und Lobsang umso mehr. «Es ist schön, zu sehen, wie sich Lhamos Deutsch verbessert hat – und wie Lobsang beim Rechnen Fortschritte macht», sagt Barbara. «Am Anfang kannte er zwar den Kartenwert, konnte die Punkte aber noch nicht selbst zusammenzählen. Inzwischen rechnet er selbstständig mit – und freut sich besonders, wenn er beim Resultat vorne liegt.»

Werden Sie Copilot*in

Caritas Zentralschweiz vermittelt interessierten Eltern freiwillige Copilot*innen, die sie bei Fragen zum Schulalltag unterstützen. Das Mentoring-Angebot Copilot wird vom Kanton Obwalden und von der Stadt Luzern unterstützt. Für den Einsatz in Obwalden und in der Stadt Luzern werden derzeit Freiwillige gesucht, die sich als Copilot*in einbringen möchten.

Mehr zum Engagement

Aktuelles Magazin: Mit Schulden leben

Dieser Artikel ist aus dem Caritas Regional Magazin 2/25. Zweimal jährlich erscheint in der Deutschschweiz das Magazin «Caritas regional». Hier lesen Sie Aktuelles und Hintergründe aus den regionalen Caritas Organisationen.

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