16.07.2023

Gemeinsam Kultur erleben

Das Projekt «KulturZuZweit» bringt Menschen zusammen. Eine Person mit KulturLegi und ein*e Freiwillige*r gehen gemeinsam auf kulturelle Entdeckungstour. Die junge Türkin Şule und die Aargauerin Sabine berichten über ihre Erfahrungen.

KulturZuZweit


Foto: Interview mit Sabine und Şule im Veranda-Café des Badener Museums Langmatt

Gemeinsam Kultur erleben

«Am besten haben mir die Action-Paintings gefallen», sagt Şule schmunzelnd zu ihrer Tandempartnerin Sabine. Die junge Türkin und die Aargauerin Sabine sitzen im Veranda-Café des Museums Langmatt in Baden und erinnern sich bei einem Glas Tee und süssem Gebäck an ihre ersten Erlebnisse als Kulturtandem. Vor einigen Wochen waren sie schon einmal hier in der schönen Jugendstilvilla und haben das Museum Langmatt besucht, das eine der bedeutendsten Privatsammlungen des französischen Impressionismus in Europa beherbergt.

Mit dem Audioguide durch die Jugendstilvilla

In den Ausstellungsräumen sind Ölgemälde in prächtigen Goldrahmen, aber auch zeitgenössische Werke zu finden. Zu Letzteren gehören die grossformatigen und mit den Händen gemalten Action-Paintings von Mark Wallinger, die bis Ende 2021 gezeigt wurden. «Dieses Haus war unser Anfang», erzählt Sabine. «Ich bin beruflich im Museum Langmatt tätig, daher wollte ich Şule zuerst einmal das Gebäude und die Ausstellung zeigen, zu der ich selbst einen guten Bezug habe.» «Damals sind wir mit dem Audioguide durch die Räume gestreift, haben die Gemälde und Keramiken betrachtet und uns die als Krimi inszenierte Geschichte der vielen Tiere angehört, die in der Sammlung versteckt sind», erinnert sie sich.

Şule und Sabine haben sich über das Angebot «KulturZuZweit» kennengelernt und sind seither immer wieder gemeinsam unterwegs, um kulturelle Anlässe zu besu chen. Şule ist 33 Jahre alt, verheiratet und vor eineinhalb Jahren mit ihrer achtjährigen Tochter in die Schweiz gekommen. Die junge Frau arbeitete in ihrer Heimatstadt Adana als Primarlehrerin, bis ihr Mann aus politischen Gründen das Land verlassen musste und sie ihm ein Jahr später folgte. Im Moment ist sie arbeitslos, doch nutzt sie die Zeit, um intensiv Deutsch zu lernen. In ihrem Herkunftsland war Şule kulturell sehr aktiv: «In der Türkei ging ich recht häufig mit Bekannten ins Kino, manchmal ins Theater oder in ein Museum», berichtet die junge Frau. In der neuen Umgebung fühlte sie sich dann anfangs etwas verloren: «Da ich mich noch nicht gut auskannte, wusste ich nicht, wie ich meine Freizeit verbringen kann», so Şule. Eine Sozialarbeiterin in einer Beratungsstelle empfahl ihr und ihrem Mann deshalb «KulturZuZweit» als eine gute Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, die Schweiz kennenzulernen und Deutsch zu üben.

«Das Projekt hilft mir und gefällt mir sehr gut.»
Şule

Sabine lebt mit ihrem Mann seit vielen Jahren in einem Dorf in der Region Brugg. Die 48-Jährige weiss, was die Schweiz und die Region kulturell zu bieten haben und nützt diese Möglichkeiten rege. Sie mag Rockund Popmusik, besucht gerne mit ihrem Mann oder Freund*innen Konzerte, geht ins Kino und schaut sich Ausstellungen an.

Vom Kirchenkonzert bis zum Filmabend mit den Landfrauen

In den wenigen Wochen, in denen sie sich kennen, haben Şule und Sabine einiges erlebt: Neben dem Langmatt- Ausstellungsbesuch waren sie zweimal im Kino und einmal in einem Kirchenkonzert einer Musikgesellschaft. Ein Freund von Sabine, der in der Kapelle mitspielt, hatte sie dazu eingeladen. «Ich konsumiere selbst viel Kultur, und mir gefällt es, wenn ich jemandem etwas Neues zeigen kann. Ich finde es auch schön, wenn Şule durch mich neue Leute kennenlernen kann!», so Sabine. «Deshalb waren wir auch schon bei einem Filmabend mit meinen Kolleg*innen von den Landfrauen. Das Schweizerdeutsch brach in der Runde immer wieder durch, was für Şule etwas schwierig war, doch sonst war es ein lustiger Abend.»

Die beiden Frauen planen ihre Aktivitäten gemeinsam und halten die Augen offen, was interessant sein könnte. Sie wurden sich bisher stets schnell einig: «In unserem Erstgespräch hat Şule zu mir gesagt: ‹Ich interessiere mich für alles ausser für Ballett!›», erinnert sich Sabine, und Şule nickt verschmitzt. «Damit konnte ich gut leben, denn ich mag es ebenfalls nicht besonders!»

Ein Freiwilligenprojekt der besonderen Art

Dieses Tandem versteht sich gut. «Ich bin froh, dass ich Sabine kennengelernt habe», sagt Şule. «Sabine ist sehr nett, und ich habe mich sofort mit ihr wohlgefühlt.» Die beiden waren bereits zu fünft mit ihren Ehemännern und der Familie zum Kino verabredet – ein türkischer Film stand damals auf ihrem Programm. Als Nächstes wollen sie eine Ausstellung im Gluri-Suter- Huus in Wettingen ansehen und sich bald gegenseitig zu Hause besuchen. Langweilig wird es also nicht. Sabine fasst zusammen: «Şule hat mich schon auf viele neue Ideen gebracht. Ich habe eigentlich mit dem Projekt begonnen, weil ich mich wieder einmal freiwillig engagieren wollte. Der Austausch ist nun so toll, dass ich es gar nicht als Freiwilligeneinsatz empfinde.»

«Der Austausch mit Şule ist so toll, dass ich es gar nicht als Freiwilligeneinsatz empfinde.»
Sabine

So funktionieren die Tandems bei «KulturZuZweit»

Bei diesem Pilotprojekt von Caritas Aargau besuchen eine Person mit KulturLegi und eine freiwillig engagierte, kulturinteressierte Person mindestens vier- bis sechsmal pro Jahr zusammen kulturelle Anlässe. Das Ziel des Projekts ist, dass Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen oder aus unterschiedlichen Generationen zusammentreffen und sich gegenseitig bereichern. Der Wohnort der Teilnehmenden sollte nicht zu weit auseinanderliegen. Interessierte erhalten von der Projektleiterin zunächst einen Fragebogen und führen mit ihr ein Einzelgespräch, in dem die Interessen angegeben werden. Wenn sich geeignete Personen finden, werden die Kriterien und Vorstellungen in einem gemeinsamen Gespräch nochmals abgeglichen. Der Einstieg ist jederzeit möglich.

Irene Krause, Projektleiterin «KulturZuZweit»
Telefon 062 837 07 48
ik@caritas-aargau.ch

Zum Freiwilligeneinsatz bei «KulturZuZweit»Link öffnet in neuem Fenster.


Autorin: Nathalie Philipp
aus: Magazin «Caritas regional» 2023/1