17.06.2025

Eltern stärken heisst Kinder stärken

Mütter und Väter mit Migrations- und Fluchthintergrund in ihrer Rolle zu untersützen, steht im Mittelpunkt des von Caritas Aargau angebotenen Elternkurses «Mein Kind in der Schweiz erziehen». Ein Bericht.

Ein Nachmittag im Dezember

... in einem Gemeinschaftszentrum im Aargau. Rund ein Dutzend Frauen sitzen erwartungsvoll in einem Kreis zusammen, vor ihnen auf dem Boden liegen Karten mit bunten Fotomotiven. 

«Wir haben schon viel darüber gesprochen, was unsere Kinder für eine gute Entwicklung brauchen. Heute wollen wir uns fragen, was uns als Eltern guttut.» Jasmine Burkhard ist Co-Projektleiterin bei Caritas Aargau und führt durch den Kursnachmittag. Nach und nach wählen die Teilnehmerinnen ein Foto, überlegen einen Moment und berichten dann der Reihe nach von ihren Kraftquellen. Es sind Tätigkeiten wie Spaziergänge unternehmen, mit Freundinnen telefonieren, Zeit in der Natur verbringen, am Wasser sitzen oder mit Handarbeit kreativ sein, die kleine, aber wichtige Ressourcen im Alltag darstellen. 

Die Stimmung ist entspannt, die persönlichen Anekdoten sorgen für Vertrautheit. Die Teilnehmenden im heutigen Elternkurs auf Dari – einer der Landessprachen Afghanistans – haben sich schon drei Nachmittage lang über Erziehung unterhalten. Kinder dürfen jeweils zum Kurs mitkommen und werden im Nebenzimmer betreut. 

Informationen und praktische Tipps

Eltern eine Möglichkeit zu geben, sich mit Fragen rund um Erziehung, Familie, Bildung und früher Förderung auseinanderzusetzen und sie zugleich mit praktischen Tipps zu unterstützen, ist zentraler Bestandteil dieser Kursreihe, die Caritas in Kooperation mit der Suchtprävention Aargau anbietet. Erziehung ist unumstritten eine herausfordernde Aufgabe, bei der viele Mütter und Väter teilweise an ihre Grenzen stossen. Umso mehr sind Eltern mit Migrationshintergrund herausgefordert, für die noch manches in der hiesigen Gesellschaft fremd ist und die oft erschwerten Zugang zu Informationen und Unterstützung haben. 

«Erziehung ist eine herausfordernde Aufgabe, besonders wenn vieles in der neuen Gesellschaft noch fremd ist.»

Jasmine Burkhard erklärt: «Wir sprechen im Kurs zum einen über universelle Erziehungsthemen. Dazu gehören die Bedürfnisse von Kindern, Aspekte wie Grenzen setzen, Kommunikation und der Umgang mit Konflikten. Daneben zeigen wir den Teilnehmenden, wie und wo sie sich über regionale Integrations- und Vernetzungsangebote für Familien wie Deutschkurse, Vereine oder Treffpunkte informieren können.» Die Workshopreihe unterstützt damit die soziale Integration der Familien. 

Die Teilnehmenden sind Väter oder Mütter in unterschiedlichen Lebenssituationen: Einige sind erst seit Kurzem in der Schweiz, andere schon mehrere Jahre. Da die Eltern im Kurs eine andere Erstsprache als Deutsch mitbringen, ist für sie die Sprachförderung ihrer Kinder ein wichtiges Thema. «Oft erleben wir, dass die Mütter und Väter ihrem Kind beim Deutschlernen helfen möchten, indem sie selbst mit ihm Deutsch sprechen. Sie sind überrascht, wenn sie erfahren, dass es sinnvoller ist, die eigene Erstsprache weiterzugeben, statt unsichere Deutschkenntnisse zu vermitteln», so Jasmine Burkhard. «Kinder lernen am besten, wenn sie auf dem Spielplatz, im Kindergarten oder in der Schule Deutsch hören.» 

Allein schon der Austausch im Kurs ist bestärkend

Der vierteilige Kurs ist praxisorientiert und bietet für die Eltern immer wieder Aha-Erlebnisse. Sie erhalten jeweils Hausaufgaben, über die sie sich beim nächsten Kursbesuch unterhalten. Durch das Ausprobieren neuer Verhaltensweisen erleben sie, dass sie viel Gutes bewirken, wenn sie mit dem Kind auf Augenhöhe sprechen, mit ihm zusammen Regeln erarbeiten oder ihm umgekehrt in manchen Dingen bewusst Freiheiten lassen. «Mein Sohn hat bisher oft trotzig reagiert», erzählt Nurana (Name geändert), 36-jährige Afghanin und Mutter von drei Kindern: «Nun habe ich die Tipps aus der Gruppe ausprobiert und positive Veränderungen festgestellt. Wenn ich jetzt etwas von meinem Sohn möchte, gehe ich direkt zu ihm, schaue ihn an und sage es ihm. Seitdem ist es einfacher geworden.» 

«Mein Sohn hat früher oft trotzig reagiert. Nun habe ich die Tipps aus der Gruppe ausprobiert und positive Veränderungen festgestellt. »

Teilnehmerin Nurana (Name geändert)

 

«Die Möglichkeit, vertieft über Erziehungsfragen ins Gespräch kommen zu können, ist an sich schon hilfreich», schildert Jasmine Burkhard. «Denn oft ist es nicht leicht, über das Thema zu reden. Manche Eltern haben Angst, verurteilt zu werden.» Das gilt besondersfür Väter und Mütter, die ohnehin mit mehreren Stressfaktoren zu kämpfen haben. 

Jasmine Burkhard denkt dabei unter anderem an Familien, die in einer Asylunterkunft leben, sich dort teilweise in prekären Verhältnissen ein kleines Zimmer teilen und in den Gemeinschaftsräumen Rücksicht auf die anderen nehmen müssen. «In einem solchen Umfeld müssen Eltern ihren Kindern zwangsläufig viel mehr Grenzen setzen. Es ist oft nicht leicht für die Eltern, dies auf eine Art und Weise zu tun, bei der ihre Kinder nicht zu sehr eingeschränkt werden.» In einem konkreten Beispiel haben Eltern dank des Kurses für ihren Sohn einen Fussballverein gefunden. «Wie viele andere Familien waren sie sehr froh über die Anregungen aus dem Kurs und konnten viel für sich mitnehmen.» 

 

Kurz erklärt: der Elternkurs von Caritas Aargau

Die vierteilige kostenlose Workshopreihe «Mein Kind in der Schweiz erziehen» richtet sich an Väter und Mütter von Kindern bis zum Alter von zehn Jahren, die sich in ihrer Erstsprache informieren und austauschen möchten. Der Inhalt wird mithilfe interkultureller Dolmetschenden vermittelt. Es sind keine Deutschkenntnisse erforderlich.

Themen:

  • Sprache lernen, Angebote für Familien in der Region
  • Was Kinder brauchen, das Kind fördern
  • Regeln vereinbaren, Kommunikation
  • Umgang mit Konflikten

Die Kurse von Caritas Aargau sind für Gemeinden verfügbar. Die Kurse der Elternbildung können spezifisch mit einer Gemeinde zusammen geplant und umgesetzt werden.

Zu Angebot und Kontakt:

caritas-aargau.ch/elternkurs

Caritas-Positionspapier: Bildung darf keine Frage des Einkommens seinLink öffnet in neuem Fenster.


Text und Foto: Nathalie Philipp
aus: Magazin «Caritas regional» 2025/1