Wenn zwei sich finden
Seit 15 Jahren bringt Caritas Luzern Kinder aus belastenden Familiensituationen mit freiwilligen Pat*innen zusammen. Eine Erfolgsgeschichte, wie die aktuelle «mit mir»-Patenschaft zwischen Ramona und Sergo zeigt. Zu Besuch in Wolhusen.
Die Aufregung ist gross an diesem verregneten Mittwochnachmittag in Wolhusen. Tsion ist mit drei von ihren vier Kindern zu Hause. Gleich kommt Ramona, die «mit mir»-Patin der siebenjährigen Sergo. Die Tochter von Tsion versteckt sich noch in ihrem Zimmer. Ihr älterer Bruder schaut unterdessen aus dem Fenster und hält Ausschau nach Ramona. «Sie kommt, sie kommt», ruft er durch die Wohnung. Als Ramona im Wohnzimmer Platz auf dem Sofa nimmt, wagt sich auch Sergo zögerlich aus ihrem Zimmer. Erst wirft sie einen schüchternen Blick in den Raum, dann rennt sie zu Ramona und herzt sie.
So sieht eine innige Freundschaft aus. Doch Ramona und Sergo kennen sich eigentlich erst seit zehn Monaten. Im Mai 2022 wurden sie einander durch Caritas Luzern vermittelt. Sie brachen das Eis mit einer Runde Memory – seither haben sich zwei gefunden.
«Der zerstreute Pharao»
Alle zwei Wochen verbringen die 7-Jährige und die 34-Jährige einen Tag zusammen. In den Wintermonaten waren sie in erster Linie mit Brettspielen beschäftigt. «Ich habe mir extra eine Palette an Spielen angeschafft», sagt Ramona und lacht. «Am liebsten spiele ich ‹Der zerstreute Pharao›», ergänzt Sergo. Die beiden stehen auch gerne zusammen in der Küche und backen. Erst kürzlich haben sie Muffins gebacken; von denen dann auch ihre Brüder und ihre Eltern ein Stück abbekommen haben. «Sergo ist sehr solidarisch. Sie denkt immer an ihre Brüder, egal, ob sie etwas backt oder geschenkt bekommt. «Auch die Schultüte, die du von mir zum ersten Schultag letzten Sommer bekommen hast, hast du mit deinen Brüdern geteilt, stimmts?» Sergo wird verlegen. Dann sagt sie: «Die war sooo riesig», und streckt ihre Hände weit auseinander. Schon bevor Ramona 2021 von Basel nach Wolhusen gezogen war, hatte sie mit einem karitativen Engagement geliebäugelt. Schliesslich erfuhr sie von den «mit mir»-Patenschaften von Caritas Luzern und meldete sich sofort an. Zur gleichen Zeit suchte Tsion, die mit ihrer Familie aus Eritrea geflüchtet ist und seither in Wolhusen wohnt, eine Patin für ihre Tochter Sergo. Das Angebot kennt sie von ihrer Schwester, die ebenfalls in der Schweiz lebt. Auch Sergos Brüder haben das Angebot der dreijährigen Patenschaften bereits genutzt.
Entlastung für die Eltern
Tsion ist sehr froh um Ramona. «Sie fördert meine Tochter im Lesen und Schreiben. Darüber hinaus ist Ramona auch eine gute Kollegin von mir geworden. Wir trinken zusammen Kaffee und reden. Sie erklärt mir auch viele Dinge über die Schweiz.» Froh war Tsion auch, als Ramona mit Sergo und ihren drei Brüdern letzten Sommer den Foxtrail im Emmental besuchte. «Sie hat damit nicht nur meinen Kindern eine riesige Freude bereitet, sondern mir gleichzeitig Zeit verschafft, damit ich endlich einen neuen Schrank kaufen gehen konnte», sagt Tsion und lacht.
Was für Tsion eine grosse Entlastung ist, ist für Ramona ein «idealer Ausgleich zur Arbeit», wie sie sagt. «Ich schätze das total. Und ich habe dadurch gelernt, mehr Verantwortung zu übernehmen – ich möchte diese Erfahrung nicht missen.» Ramona kann sich vorstellen, dass die Freundschaft über die drei Jahre Patenschaft hinausgeht. Sergo fügt sogleich an: «Ich auch!»
Aus dem verregneten Mittwochnachmittag ist allmählich ein verregneter Mittwochabend geworden. Ramona und Sergo spielen noch eine Runde Memory.
Beitrag aus dem Caritas Regional Magazin Nr. 1 / 2023