Sofa statt Schulbank
Für Menschen mit geringen Lese-, Schreib- oder Computerkenntnissen bleibt der Zugang zum Weiterbildungsmarkt ein Hürdenlauf. Die LernLounge in Luzern und Sursee setzt auf niederschwellige Lernräume als ersten Schritt in Richtung lebenslanges Lernen. Ewelina ist eine der Personen, die diesen ersten Schritt gemacht haben.
Ewelina sucht Arbeit. Die alleinerziehende Mutter ist 2017 aus Polen in die Schweiz gekommen und bringt viel Erfahrung als Pflegeperson mit – jedoch kein Diplom. Was ihr ebenfalls fehlt: die nötigen Deutschkenntnisse für die schriftliche Korrespondenz mit Ämtern, Sozialversicherungen oder potenziellen Arbeitgebern. Und ein Überblick über bezahlbare Kurs- und Weiterbildungsangebote.
Eine Handvoll Briefe
Einmal in der Woche macht sich Ewelina mit einer Handvoll Briefen auf den Weg in die LernLounge in der Luzerner Neustadt. Dass ihr dort beim Beantworten der Briefe und mit weiteren administrativen Aufgaben geholfen wird, entlastet sie sehr. «Egal, mit welchem Problem ich komme, in der LernLounge helfen sie mir, eine Lösung zu finden.» Auch ihre Notizhefte bringt Ewelina mit. Darin schreibt sie ihre Briefentwürfe auf und überarbeitet diese gemeinsam mit einer Fachperson der LernLounge. «Ich finde nicht immer die richtigen Worte. Auch Übersetzungstools helfen nicht. Es braucht einen Menschen.»
Hilfe zur Selbsthilfe
Einer dieser Menschen ist Sara. Sie ist Mitarbeiterin von Caritas Luzern und eine der beiden Fachpersonen, die die LernLounge gemeinsam mit dem Schweizerischen Arbeitshilfswerk (SAH) aufgezogen haben und diese nun seit sieben Monaten betreiben. Sie betont: «Wir sind keine Sekretärinnen. Wir schreiben nicht Briefe für die Besuchenden oder erledigen ihre Administration. Aber wir ermächtigen sie, es selbst zu versuchen und helfen bei Fragen.» Nicht immer kommt das gut an. Manchmal ärgert sich ein*e Besucher*in, weil die Hemmung, etwas selbst am Computer zu bearbeiten, zu gross ist. Da Sara konsequent bleibt, muss es jeder und jede schlussendlich selbst versuchen. «Es ist schön zu sehen, wie diese Personen danach mit einem Strahlen wieder rausgehen, weil sie gemerkt haben, dass sie mehr können, als sie dachten.»
«Wir sind keine Sekretärinnen.»
Neben der PC-Infrastruktur, die rege genutzt wird, wünschen viele Besucher*innen Unterstützung bei einer Bewerbung. So auch Ewelina. Sara hat mit ihr den Lebenslauf überarbeitet, gemeinsam einen Kurs für «Deutsch im Pflegeberuf» gesucht, für das Vorstellungsgespräch geübt und sie bei der Korrespondenz mit potenziellen Arbeitgebenden unterstützt. Ewelina zeigt einen Briefentwurf aus ihrem Notizheft und erklärt: «Ein Vorstellungsgespräch hätte online stattfinden sollen, ich habe aber kein Gerät zu Hause. Mit Saras Hilfe habe ich eine E-Mail geschrieben und das Heim darum gebeten, das Gespräch vor Ort zu führen.» Jede Nachricht in Ewelinas Notizheft beginnt mit «Guten Tag» und endet mit «Freundliche Grüsse». Diese Formalität musste Ewelina zuerst lernen – heute fehlt sie in keiner ihrer Korrespondenzen mehr.
Es fehlt oft an Grundkompetenzen
Die kleinen Lerneffekte – darum geht es in der LernLounge. Sara sieht das Angebot als einen kleinen, aber sehr wichtigen Schritt am Anfang der Weiterbildungskette. In der Schweiz können 800000 Erwachsene nicht richtig lesen und schreiben. Die Hürde, einen Kurs zu besuchen, ist oft zu gross – das Drücken der Schulbank in zu schlechter Erinnerung. Dabei gäbe es im Kanton Luzern ein gutes Angebot an Grundkompetenzkursen. Mit den Bildungsgutscheinen des Kantons Luzern sind viele davon sogar kostenlos. Denn pro Jahr stehen Bewohner*innen des Kantons Luzern im erwerbsfähigen Alter zwei Gutscheine im Wert von 500 Franken für Grundkompetenzkurse zu. Viele kennen dieses Angebot nicht oder die Anmeldung auf der Website ist eine zu grosse Herausforderung.
«Ich fühle mich stark. Ich kann jetzt selber Briefe schreiben.»
Gemütlich und unkompliziert
Einfacher fällt stattdessen der Gang in die gemütliche LernLounge. Dort unterstützen Sara und das restliche LernLounge-Team in einem Raum, der einem Wohnzimmer gleicht, bei der Suche nach passenden Kursen und bei der Anmeldung. Eine Hürde, die bei der LernLounge zudem wegfällt: Hilfe gibt es auch ohne einen Termin. Dadurch entstehen zwar manchmal Wartezeiten, denn die LernLounge in Luzern ist oft gut besucht. Doch die Wartezeit macht Ewelina nichts aus. Wenn es nach ihr gehen würde, müsste man noch mehr Werbung machen, damit weitere Menschen von diesem Angebot profitieren können. «Auch wenn ich dann noch länger warten muss.»
Ewelinas Geduld und ihr Fleiss haben sich gelohnt. Sie wurde zu sechs Vorstellungsgesprächen eingeladen und konnte alle gut meistern. «Es kam keine einzige Frage, die ich nicht schon mit Sara geübt hatte.» Ihre nächste Herausforderung wartet bereits. Da Ewelina bei der Arbeit als Pflegerin in einem Heim Schicht arbeiten müsste, sucht sie eine Kinderbetreuung für
ihre 5-jährige Tochter. Sara gibt ihr den Kontakt zu einer Vermittlungsstelle für Tagesfamilien in Ewelinas Wohnort in Emmen. Auch eine Schreib- und Lesehilfe würde es in Emmen geben. Aber davon will Ewelina nichts wissen: «Ich fahre mit meinen Briefen lieber 30 Minuten den Weg in die LernLounge. Es ist immer so super hier.»

Die LernLounge ist mobil
Die Distanz zum eigenen Wohnort ist vor allem für die ländliche Bevölkerung eine weitere Hürde, um Lernangebote in der Stadt zu nutzen. Deshalb gibt es das LernLounge Mobil.
Luzerner Gemeinden, Organisationen und weitere Initiator*innen haben die Möglichkeit, das LernLounge Mobil kostenlos in ihre Gemeinde zu holen und temporär ein Lernangebot vor Ort anzubieten.

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