
01.04.2025
Umsatteln ist Programm
In der Velowerkstatt von Caritas Zentralschweiz wird nicht nur an Velos geschraubt, sondern auch an neuen Perspektiven gearbeitet. Der Bereich Velomobilität hat sich zu einem der grössten beruflichen Integrationsangebote des regionalen Hilfswerks entwickelt.
So viel Action würde man hier nicht erwarten. Die Velowerkstatt der Caritas Zentralschweiz fühlt sich an diesem Nachmittag im Februar wie eine Notaufnahme an. Werkstattchef Markus Rüegg eilt herbei. Gemeinsam mit Mitarbeiter Samo Stancer zieht er einen sogenannten Collé-Reifen auf die Felge eines Rennvelos, die zuvor mit Klebstoff bestrichen wurde. Und dann ist der Pneu auch schon montiert, Hektik und Kleberduft verfliegen.
Samo Stancer ist so etwas wie der Rennveloexperte hier. Vor wenigen Jahren, als er für ein berufliches Integrationsprogramm der Caritas Zentralschweiz zugewiesen wurde, kannte er sich mit Velos noch kaum aus.
Der 59-Jährige war lange Zeit als Aufsicht und im Auf-und Abbau in Museen tätig, bis ihm ein Jobverlust den Boden unter den Füssen wegzog. Er fand keine neue Stelle, landete irgendwann in der Sozialhilfe und zog sich schleichend aus der Gesellschaft zurück. Bei Caritas Zentralschweiz lernte er nicht nur, Velos zu reparieren, sondern auch, den Umgang mit Mitmenschen wieder zu schätzen. «Hier fühlte ich mich von Anfang an wohl und es entstand ein richtiges Wirgefühl.»
Fachwissen steht an zweiter Stelle
Der Bereich Velomobilität entwickelte sich die letzten Jahre zu einem der grössten beruflichen Integrationsangebote der Caritas Zentralschweiz und bietet rund 60 Programmplätze für Menschen, die von Erwerbslosigkeit betroffen sind. Neben den Velowerkstätten und Velostationen, in denen Velos gewartet, instand gestellt und verkauft werden, verantwortet das regionale Hilfswerk den Unterhalt und die Verteilung von Nextbike- Leihvelos und sorgt für Ordnung auf Veloparkplätzen. «In diesem Bereich können wir unterschiedliche Kompetenzen vermitteln. Wir schauen gemeinsam mit den Teilnehmenden der Integrationsangebote, welche Kompetenzen vorhanden sind und was für Aufgaben sie ausüben möchten», sagt Oliver Rippstein, Leiter Velomobilität bei Caritas Zentralschweiz.
Dabei stehe das Velofachwissen oft erst an zweiter Stelle, sagt Rippstein. «Bei vielen Programmteilnehmenden geht es um grundsätzliche Themen wie Struktur, Selbstvertrauen im Arbeitskontext, den Umgang mit digitalen Hilfsmitteln und den Kontakt mit Kundschaft.» Arbeitsagog*innen fördern sie in ihren fachlichen sowie sozialen Kompetenzen und bereiten sie so auf einen beruflichen Neuanfang vor.
Weiterer Ausbau mit EBA-Ausbildung
Ab diesem Sommer bietet Caritas Zentralschweiz die schweizweit neu lancierte zweijährige Ausbildung als Zweirad-Assistent*in (EBA) an. Die praxisorientierte Attestausbildung richtet sich an Menschen, die handwerklich begabt sind, jedoch Mühe in der Schule haben. Etwas vom Ersten, was Lernende in der Velowerkstatt machen, ist ein nicht mehr brauchbares Velo komplett in seine Einzelteile zu zerlegen – ohne dabei Angst haben zu müssen, dieses nicht mehr zusammenbauen zu können.
Dies war auch eine der ersten Aufgaben, die Samo Stancer bei seinem Start in der Velowerkstatt erledigte. Mittlerweile kann er die zerlegten Velos problemlos wieder zusammenbauen.