16.07.2024

Schwarze Liste im Kanton Luzern gehört abgeschafft

Der Luzerner Regierungsrat ebnet den Weg für die Abschaffung der Schwarzen Liste. Caritas Zentralschweiz begrüsst diesen Entscheid. Die Liste führt dazu, dass Menschen mit tiefen Einkommen notwendige ärztliche Behandlungen verwehrt bleiben. Das widerspricht dem Grundrecht einer angemessenen Gesundheitsversorgung.

In seiner Antwort auf die Motion zur Aufhebung der Liste säumiger Prämienzahler beantragt der Luzerner Regierungsrat dem Kantonsrat, diese für erheblich zu erklären. Damit ebnet die Regierung den Weg für die Abschaffung der Schwarzen Liste. Caritas Zentralschweiz begrüsst diesen Entscheid und fordert ihrerseits eine rasche Abschaffung der Schwarzen Liste im Kanton Luzern.

Als einer von wenigen Kantonen kennt der Kanton Luzern die sogenannte "Liste säumiger Prämienzahler", besser bekannt als "Schwarze Liste". Wer also seine Prämien oder Kostenbeteiligungen für die obligatorische Grundversicherung bei der Krankenversicherung nicht bezahlen kann und die Versicherung ein Betreibungsverfahren mit Fortsetzungsbegehren einleitet, wird auf die Schwarze Liste gesetzt. Als Folge wird man von Ärztinnen und Ärzten oder im Spital nur noch im Notfall behandelt. Weshalb Caritas Zentralschweiz die Abschaffung der Schwarzen Liste im Kanton Luzern fordert, hat mehrere Gründe.

Angemessene Gesundheitsversorgung als Grundrecht

Jeder Mensch hat das Recht auf eine angemessene Gesundheitsversorgung. Die Schwarze Liste schränkt dieses Grundrecht massiv ein, denn der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird gewissen Menschen verwehrt. Die gesundheitliche Unterversorgung wird zur Regel und die Folgen für die Betroffenen können fatal sein. Sie müssen warten, bis die Krankheit ihr Leben bestimmt und sie zum Notfall werden.

Der ökonomische Fokus auf die Gesundheit ist nicht gerechtfertigt

Die Gesundheit kann nicht nach den gleichen ökonomischen Prinzipien beurteilt werden, wie das bei anderen Gütern der Fall ist. Der ökonomische Fokus wird der komplexen Situation einer Person nicht gerecht. Bei Menschen mit knappem Budget, die beispielsweise arbeitslos werden oder einen Schicksalsschlag wie eine Krankheit erleiden, ist der finanzielle Spielraum äusserst gering und Zahlungsversäumnisse werden ungerechtfertigt auf die Logik von Zahlungsunwilligkeit reduziert.

Abschreckende Wirkung bleibt aus

Ziel der Liste ist es, abschreckend zu wirken und Zahlungsversäumnisse zu verhindern. Nach über zehn Jahren wissen wir: Der abschreckende Effekt ist ausgeblieben. Daniel Furrer, Geschäftsleiter der Caritas Zentralschweiz dazu: "Die Menschen auf der Schwarzen Liste sind nicht zahlungsunwillig, sondern zahlungsunfähig." Lag die kantonale Durchschnittsprämie im 2012 zum Zeitpunkt der Einführung der Schwarzen Liste noch bei 339 Franken für eine erwachsene Person mit Unfalldeckung, liegt sie im 2024 bei 485 Franken. Die Krankenkassenprämien führen dazu, dass viele Versicherte die Kosten nicht tragen können und auf Prämienverbilligung angewiesen sind. Diese sind aber weniger stark gestiegen als die Prämien und entlasten zu wenig. Menschen gelangen also auf die Schwarze Liste, weil sie verschuldet sind und die steigenden Lebenshaltungs- und Gesundheitskosten schlichtweg nicht bezahlen können.

Warten, bis man zum Notfall wird?

Ungeklärt bleibt die Frage, wann es sich um einen Notfall handelt. Das liegt in der Beurteilung des Arztes, der Ärztin in der Praxis oder im Spital. Menschen auf der Schwarzen Liste müssen beispielsweise Diabetes-Medikamente oder auch Krebsbehandlungen selber bezahlen, da es sich oft nicht um Notfälle handelt. Weil dieses Geld fehlt, erhalten Menschen eine dringend benötigte Behandlung nicht. Sie müssen also warten, bis sie zum Notfall werden. Auch wenn die Kosten nicht beziffert werden können, führen nicht behandelte Krankheiten unweigerlich zu Folgekosten. Und diese sind – neben dem Schicksal für die betroffenen Menschen – für das System kontraproduktiv. Die Kosten für die Gesellschaft fallen dann woanders an, beispielsweise bei den Sozialversicherungsleistungen.

Der Kanton Luzern hat die Schwarze Liste 2012 eingeführt und ist neben den Kantonen Aargau, Thurgau und Tessin der einzige, der daran festhält. Im Kanton Zug werden seit diesem Jahr keine Personen mehr auf die Liste aufgenommen, in weiteren Kantonen wie Schaffhausen, Solothurn, St. Gallen und Graubünden wurden die Listen bereits wieder abgeschafft. Der Kanton Luzern sollte es ihnen gleichtun, damit für Menschen mit tiefen Einkommen das Grundrecht auf eine angemessene Gesundheitsversorgung gewahrt wird.

Fallbeispiel aus unserer Sozial- und Schuldenberatung

Der Kanton Luzern betont im Zusammenhang mit der Schwarzen Liste, dass nur zahlungsunwillige Personen darauf erfasst werden. Menschen, die Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beziehen, werden von der Liste gestrichen. Es sind also besonders jene Personen mit einem Einkommen knapp über dem Existenzminimum, die besonders gefährdet sind, auf der Schwarzen Liste zu landen. Wie die Sozial- und Schuldenberatung der Caritas Zentralschweiz weiss, sind diese Menschen nicht zahlungsunwillig, sondern zahlungsunfähig, wie das reale Beispiel einer Frau zeigt:

Wegen fehlender Operation bald arbeitsunfähig

Frau P. ist seit mehreren Jahren verschuldet, ihr Lohn wird gepfändet. Sie arbeitet zu 80% im Detailhandel. Seit einigen Monaten leidet sie unter starken Rückenschmerzen. Eine Untersuchung hat ergeben, dass mehrere Nerven eingeklemmt sind. Dies führt dazu, dass Frau P. an einigen Tagen ihre Hände nicht spüren und benutzen kann. Als Folge fallen ihr Gegenstände aus der Hand, was sie beim Arbeiten einschränkt. Ihr Pensum musste sie bereits um 20% reduzieren. Gemäss Facharzt würde eine Operation die Beschwerden beheben und sie wäre wieder vollständig arbeitsfähig. Da sich Frau P. aber auf der Schwarzen Liste befindet und sie diese nicht bezahlen kann, bleibt ihr die Operation verwehrt. Es besteht die reelle Gefahr, dass Frau P. bald komplett arbeitsunfähig wird.

Die Absicht der Schwarzen Liste, die Zahlungsmoral der versicherten Personen zu erhöhen, verfehlt ihre Wirkung. Im Gegenteil: Sie verwehrt medizinisch notwendige Behandlungen mit teils drastischen Folgen.

Wir helfen Menschen

Caritas Zentralschweiz ist eine Non-Profit-Organisation, die sich in der Region an den gesellschaftlichen Brennpunkten Armut, Arbeit und Teilhabe engagiert. Über 150 Mitarbeitende, 200 Dolmetschende und rund 250 Freiwillige engagieren sich für Menschen in schwierigen Lebenssituationen und fördern die soziale und berufliche Integration. Der gemeinnützige Verein wurde 1982 als Caritas Luzern gegründet und ist Mitglied des nationalen Caritas-Netz. Caritas Zentralschweiz ist konfessionell und politisch neutral.

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