Die Taskforce Teuerung
Wie reagiert ein regionales Hilfswerk auf eine globale Krise? Im Januar beauftragte Caritas Luzern drei Mitarbeitende, die Folgen der Teuerung für Armutsbetroffene und -gefährdete in der Zentralschweiz in den Blick zu nehmen.
Was braucht es, damit Caritas Luzern eine Taskforce einberuft?
Antje: Es gibt keinen bestimmten Eskalationsfaktor, der eine Taskforce auslöst. Aber Caritas Luzern hat viel Erfahrung beim Erkennen und Bewältigen einer (möglichen) Krise. Dieses Sensorium lässt uns erkennen, wann es eine organisationsweite Koordination eines Themas braucht. Anfang Jahr hat sich gezeigt: Das Thema Teuerung wird bleiben, und es wird unsere Organisation auf ganz vielen, unterschiedlichen Ebenen beschäftigen – allen voran die Armutsbetroffenen und -gefährdeten, mit denen wir tagtäglich zu tun haben.
Das Thema ist naturgemäss nah an der Sozial- und Schuldenberatung. Warum braucht es die übergreifende Taskforce?
Thomas: In einer Taskforce sitzen Personen aus unterschiedlichen Disziplinen mit unterschiedlichem Fokus am Tisch. Es geht um die Vernetzung verschiedener Blickwinkel. Die Teuerung bei der Sozial- und Schuldenberatung zu sehen, liegt nahe, greift aber zu kurz. Gerade in den Caritas-Märkten merken wir die Teuerung beim Einkauf der Waren und bei der hohen Nachfrage der Kund*innen. Zudem haben wir in unseren Angeboten und in der beruflichen Integration, aber auch über unser Netzwerk von Dolmetschenden oder Freiwilligen oft den Kontakt mit Menschen, die stark von der Teuerung betroffen sind, weil sie von Armut betroffen oder armutsgefährdet sind.
Wie muss man sich eure Zusammenarbeit vorstellen?
Reto: Wir treffen uns alle drei bis vier Wochen. Dabei besprechen wir die aktuelle Entwicklung sowie die Erlebnisse in unserem unmittelbaren Arbeitsumfeld. Ist die Nachfrage in den Märkten angestiegen? Nehmen die Beratungen in der Sozial- und Schuldenberatung zu? Hat es mehr Medienanfragen gegeben und konnten wir zum Thema Auskunft geben? Dann ergeben sich auch Aufträge: Referate halten, Abklärungen bei anderen Stellen treffen, eine Informationskampagne lancieren. All diese Dinge dokumentieren wir in einem Journal.
«Im Unterschied zur Corona-Krise
handelt es sich bei der Teuerung um
eine Krise mit Ansage.»
In der Vergangenheit gab es bei Caritas Luzern auch schon die «Taskforce Corona» und die «Taskforce Ukraine». Gibt es für diese Sonderteams bereits ein etabliertes Vorgehen?
Antje: Ich denke, wir haben bereits eine gewisse Routine in Bezug auf manche Abläufe. Letztlich ist jedoch jede Herausforderung einzigartig und damit kommen spezifische Anforderungen an die jeweilige Taskforce. Wir lernen immer Neues dazu.
Thomas: Im Unterschied zur Corona-Krise handelt es sich bei der Teuerung um eine Krise mit Ansage. Die Folgen sind bekannt und wir können langfristig konkrete Massnahmen planen. In der Corona-Taskforce war die Situation ganz anders.
Welche Hebel habt ihr als Taskforce?
Reto: Caritas Luzern ist überschaubar und agil. Gewisse Ideen holen wir bei der Geschäftsleitung ab und machen uns dann rasch an die Umsetzung. So haben wir in Kooperation mit den Sozialberatungen der Katholischen und der Reformierten Kirche Stadt Luzern eine Medienmitteilung lanciert, um die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Oder wir haben einen Flyer «ABC des Sparens» umgesetzt.
Antje: Letztlich sind die Menschen, die täglich mit einem kleinen Budget leben müssen, die wahren Spezialist*innen im Sparen. Wichtig ist, dass wir das Wissen da abholen, wo es auch wieder benötigt wird.
«Global kann ich keinen
Einfluss nehmen, als Person
oder Organisation kann aber
viel gemacht werden.»
Welche Rolle kann ein regionales Hilfswerk wie Caritas Luzern bei einem internationalen Thema übernehmen?
Reto: Die Ursachen können wir nicht beeinflussen. Man muss sich immer fragen: Wo ist die eigene Lenkungsebene, bei der man etwas bewegen kann? Bei der Teuerung ist es wie beim Klima oder bei den Menschenrechten. Global kann ich keinen Einfluss nehmen, als Person oder Organisation kann aber viel gemacht werden. Im Konkreten setzen wir uns bei der Teuerung dafür ein, dass besonders gefährdete Personen – das sind vor allem die Working Poor – dank unserer Unterstützung einen längeren Atem erhalten und nicht in die Armut abstürzen.Hier können wir sehr unkompliziert und effektiv agieren. Sei es mit einer Überbrückungshilfe, den Caritas-Märkten oder der KulturLegi.
Thomas, wie erleben die Teilnehmenden in euren Arbeitsintegrationsprogrammen die Teuerung? Was bekommst du mit?
Thomas: Nur ganz wenige Teilnehmende sprechen ihre prekäre Situation an. Wir stellen aber fest, dass die Teilnehmenden, um zu sparen, teilweise kein Mittag essen mitnehmen oder auf andere grundlegende Bedürfnisse verzichten. Während der Arbeitslosigkeit erhält man ohnehin nur 80 bzw. 70 Prozent des gewohnten Einkommens. Die Teuerung erhöht den finanziellen Druck bei unseren Teilnehmenden zusätzlich.
«Einige Teilnehmende
nehmen, um zu sparen,
kein Mittagessen mehr mit.»
Welche konkreten Massnahmen konntest du in der beruflichen Integration umsetzen?
Thomas: Es geht vor allem um Sensibilisierung. Wir ermuntern die Teilnehmenden, schwierige Situationen anzusprechen und sich Hilfe zu holen. Natürlich machen wir sie auch auf die bestehenden Angebote von Caritas Luzern wie die KulturLegi oder den Caritas- Markt und seit Kurzem den neu erarbeiteten Flyer mit diversen Spartipps aufmerksam.
Reto, erzähl etwas mehr zum Flyer «ABC des Sparens». Wie ist er zustande gekommen und wo kommt er zum Einsatz?
Reto: Wir haben uns überlegt, wie wir Personen unterstützen können, ihre Ausgaben zu optimieren, damit das Geld länger reicht. Wir wollten ein taugliches Werkzeug mit Spartipps, mit dem die Leute das Heft selbst in die Hand nehmen können. Der Flyer kommt bei uns selbst zum Einsatz: In Gesprächen, als Auflage in unseren Läden und so weiter. Wir haben ihn aber auch anderen Beratungsstellen zur Verfügung gestellt. Zudem sind die Inhalte auch auf unserer Website abrufbar.
Wie wurde Caritas Luzern von der Öffentlichkeit zum Thema Teuerung wahrgenommen?
Reto: Es gab zahlreiche Anfragen durch die Medien. Besonders im Fokus standen unsere Sozial- und Schuldenberatung und die Caritas-Märkte. An diesen beiden Orten wird die Teuerung sichtbar und die Medien haben sich interessiert, wie sich die Nachfrage entwickelt hat und wer die Leute sind, die zu uns kommen.
Inwiefern arbeitet ihr mit Caritas Schweiz und anderen Organisationen zusammen?
Reto: Caritas Schweiz unterstützt uns mit wertvollen Grundlagen zum Thema. Welche Kostenblöcke verändern sich und wie? Für uns sind diese Infos wichtig, damit wir Entwicklungen antizipieren können. Gleichzeitig ist Caritas Schweiz auf unsere Erfahrungen in der Schuldenberatung angewiesen. Mit welchen Rechnungen kommen Hilfesuchende zu uns? Was bleibt Ende Monat noch zum Leben übrig?
Antje: Wie Reto bereits erwähnt hat, sind wir auch in einem engen Austausch mit den Sozialberatungen der Katholischen und der Reformierten Kirche Stadt Luzern. Dadurch multiplizieren wir unser Wissen und können gemeinsam an einem Strang ziehen.

Das «ABC des Sparens»
Was tun, wenn das Geld knapp wird? Von A wie Abfall bis Z wie Zeitung: Das «ABC des Sparens» fasst die wichtigsten Tipps zusammen und zeigt Wege, wie es sich in der Zentralschweiz günstiger leben lässt.
Sind die hohen Nebenkosten und Mieten in der Taskforce ein Thema?
Antje: Die Entwicklung bei den Mieten beobachten wir mit Sorge. Die Steigerung des Referenzzinssatzes macht ein unverzichtbares Gut teurer und nur schon geringe Prozentanstiege können grosse Frankenbeträge bedeuten. Hier sind uns jedoch die Hände gebunden und wir können die Situation nur schlecht abfedern, geschweige denn beeinflussen. Anders bei den Nebenkosten: Hier können wir kurzfristige Engpässe überbrücken.
Was möchtet ihr als Taskforce noch anpacken?
Reto: Wir wollen weiterhin eine interne und externe Öffentlichkeit für das Thema schaffen: Wie ist die Situation, wo agiert Caritas Luzern wie, damit Leute nicht in die Armut abrutschen? Aber natürlich reicht «Öffentlichkeit» nicht – wir lassen Taten folgen, beraten Menschen und greifen unter die Arme. Sei das in den Märkten, mittels KulturLegi oder via Sozial- und Schuldenberatung.
Ab welchem Zeitpunkt wird die Taskforce aufgelöst werden?
Antje: Das bleibt abzuwarten. Die Teuerung wird sich leider nicht von heute auf morgen verabschieden.
Caritas Regional Magazin
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