04.11.2025

Nachruf Franz Schibli

Mit seinem feinen Gespür für Menschen und seinem tiefen Glauben prägte Franz Schibli über viele Jahre die diakonische Arbeit im Bistum St.Gallen. Er verband Theologie mit sozialem Engagement und schuf Räume der Begegnung und Solidarität. Sein Einsatz bleibt vielen unvergessen und wirkt in zahlreichen Projekten weiter.

Beim Abschiedsgottesdienst am 11. Oktober mussten sich auch viele diakonische Weggefährtinnen und Weggefährten von Franz Schibli verabschieden. Er hatte im letzten Jahrzehnt die Diakonie im Bistum St. Gallen massgebend mitgestaltet. Vor Ort in Wil als Leiter Soziales in der Katholischen Kirchgemeinde Wil seit 2017, aber auch darüber hinaus als engagiertes hilfsbereites und beliebtes Mitglied der wachsenden Gruppe kirchlicher Sozialarbeitender im Bistum St. Gallen.

 

Hier bestand auch eine enge Zusammenarbeit mit der Caritas St.Gallen-Appenzell. Neben regelmässigem fachlichem Austausch konnten mehrere Projekte gemeinsam verwirklicht werden. Hervorzuheben ist wie Franz Schibli mehrere Studierende der Sozialen Arbeit an der OST in ihrem Praktikum begleitete, die die Kirchgemeinde Wil und Caritas St.Gallen-Appenzell in Kooperation anbieteten. Unvergessen für die Teilnehmenden werden die Sommerferien für Familien aus aller Welt bleiben, die Franz Schibli zusammen mit der Diakonieanimation der Caritas ins Leben rief.

 

Was unter Kolleginnen und Kollegen in diesem Arbeitsfeld sehr geschätzt wurde, war die pointierte theologische Prägung, die den Hintergrund seines vielschichtigen Engagements bildete.

Sie lässt sich gut an drei Zitaten festmachen, die Franz Schibli selbst im Rahmen einer solchen flachlichen Zusammenarbeit in der Diakonie ausgewählt hatte. Sie werden hier in der von ihm gewählten Form wiedergegeben:

 

„Umkehr ist ein Schlüsselwort 
christlichen Lebens.

Seit Jesus sind 
die Spielregeln umgekehrt,
die Zugangsvoraussetzungen 
haben sich gewaltlos verändert, 
und die Verlierer können endlich gewinnen.“

(Franz Kamphaus)

 

Franz Schibli zeigte einen ungetrübten Blick dafür, dass die sozialen Nöte von Menschen mit den Spielregeln zu tun haben, unter denen sie ihr Leben bestreiten, bei deren Definition sie aber nur selten mitbestimmen können. Dass aus christlicher Sicht sich die Spielregeln am Wohl der Benachteiligten zu orientieren haben, war für ihn die eine unverhandelbare Grundaussage des Evangeliums.

 

„Suchet zuerst 
das Reich Gottes

und seine Gerechtigkeit

und nicht das Kapital

und dessen Vermehrung.“

(Urs Eigenmann)

 

In der Zusammenarbeit mit Franz Schibli war das Anliegen stets spürbar, dass sich die Kirche nicht dem gerade dominierenden gesellschaftlichen Gedankengut ausliefern darf. Reich Gottes und Gerechtigkeit sind für ihn nicht die zweite Seite der Wachstumsmedaille. Eher stehen diese Hoffnungsbilder im Widerspruch zu solchen Ideologien. Aufgrund dieses normativen Fundaments kann sich Kirche nicht anders verstehen, als eine politische. Franz Schibli ärgerte sich, wenn unbedacht  einer politischen Neutralität oder Enthaltsamkeit der Kirche das Wort geredet wurde, und gerne stellte er sich hier der kritischen Diskussion. Die biblische Prophetie war für ihn hier massgebender Orientierungspunkt. Religion muss unmittelbar die Ungerechtigkeitsstrukturen der Welt angehen und sich von ihnen angehen lassen, will sie nicht zum bloss auswechselbaren Betäubungsmittel verkommen. Zerfetzte Sandalen mögen ein sprechendes Bild hierfür sein. Unvergessen bleibt der Austausch über die Unrechtsprophetie von Amos, in der dieser die kaputten Sandalen der versklavten Schuldknechte als konkretes Beispiel für Schuldigkeit der Bessergestellten nimmt. Statt im Sinne des normativen Anspruchs der Tora dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, die Schuld abzuarbeiten, wird er vom Gläubiger wegen einer Kleinigkeit oder einem kaputt gegangenen Arbeitswerkszeug wie Sandalen, auf dem Sklavenmarkt verkauft. Der Anspruch auch an heutige christliche Religionsformen ist für Franz klar: Der Kirche muss es darum gehen, solchem Gräuel der Ausbeutung zu widerstehen.

 

„(Diakonie) orientiert sich an

den Bedürfnissen und Themen der Menschen, 
die in unserer Pfarrei wohnen und arbeiten 
nach dem Grundsatz: 
Geh’ nicht motivieren, 
geh Motivation suchen. 
Und: ‚Rede nur

dann von deinem Glauben, wenn Du

gefragt wirst – aber lebe so, dass

mensch so, dass mensch dich fragt.‘ “

(Wolfgang Hinte/Rainer Krockauer)

 

Nicht die blossen Worte waren Franz‘ Mittel zur Verkündigung der christlichen Botschaft. Es war das tatkräftige diakonische Handeln. Er überzeugte durch sein Vorbild im Engagement für und mit den Menschen, versuchte Kirchenräume zugunsten von mehr und anderen Menschen zu öffnen, auch gegen Widerstand. Die Begegnungen im öffentlichen Raum beim Lamm am Spiess werden in Wil fehlen. Seine Kochkünste in der Sommerferienwoche für Familien aus aller Welt genauso.

 

Franz Schibli ist unerwartet und zur grossen Bestürzung aller Arbeitskolleginnen und Kollegen am 28. September ums Leben gekommen. Seine Depression war stärker als er.

Worauf wir hoffen dürfen, dass Franz Schibli nun in der ewigen Liebe aufgehoben ist, und die so ersehnte Gerechtigkeit sehen kann. Was unweigerlich bleibt, ist die Erfahrung von Solidarität und Nächstenliebe, die viele Menschen dank ihm machen durften.

für die Diakonie – Gregor Scherzinger

 

Bild: sghv.ch