29.05.2024
«Forum Caritas Solothurn» 2024
«Resilienzförderung und Belastungsempfinden» – zu diesem Thema fand am Montagabend, 27. Mai 2024, in der Jugendherberge in Solothurn das mit 80 Teilnehmenden ausgebuchte «Forum Caritas Solothurn» statt. Im Laufe des Abends wurden verschiedene konkrete Ansätze und Empfehlungen benannt.
«Wir brauchen ein Regelwerk, das uns unterstützt, wenn es wirklich schwierig wird»
«Resilienzförderung und Belastungsempfinden» – zu diesem Thema fand am Montagabend, 27. Mai 2024, in der Jugendherberge in Solothurn das mit 80 Teilnehmenden ausgebuchte «Forum Caritas Solothurn» statt. Das regionale Hilfswerk hatte die Bevölkerung eingeladen, zusammen mit Fachpersonen und Politiker*innen darüber zu diskutieren, wo eine wirksame Resilienzförderung angesetzt werden sollte. Im Laufe des Abends wurden verschiedene konkrete Ansätze und Empfehlungen benannt.
Fabienne Notter, Geschäftsleiterin Caritas Solothurn, stellte zu Beginn der Veranstaltung die Frage, ob der weitverbreitete Eindruck stimme, die Widerstandskraft in unserer Gesellschaft habe deutlich abgenommen und wenn ja, was wir zur Resilienzförderung unserer Mitmenschen beitragen können.
Dieser Fragestellung ging Wassilis Kassis, Professor für Pädagogische Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz in seinem Einstiegsreferat nach. Er wies darauf hin, dass Belastungen bereits vor dem heutigen öffentlichen Diskurs existiert hätten, jedoch das Belastungsempfinden in den letzten Jahren auf jeden Fall zugenommen habe und empirisch festgehalten werden könne, dass das Leben generell als belastender empfunden werde. Dies betreffe inzwischen auch Kinder und Jugendliche. Der soziale Wohlfahrtsstaat in Demokratien habe aufgezeigt, dass wir Rechte haben und uns im Rahmen dieser Gewisses nicht mehr antun müssten. Viel zu lange wurde zum Beispiel bei Opfern von Benachteiligungen nicht richtig hingeschaut. Vulnerable Menschen empfinden Belastungen stärker und können seltener Resilienz aufbauen. Belastungen haben auf sie die weitaus negativeren Effekte.
Ob eine Belastung eine Zumutung im negativen Sinne sei oder ob sie ein sinnvoller «Push» raus aus der Komfortzone darstelle, müsse beispielweise im Falle einer Personalreduktion eines Grossverteilers diskutiert werden. Mit hinreichend Zeit und Druck könne jeder Mensch «platt gemacht» werden. Der Reiz des Menschseins sei es denn auch, dass wir nicht «unplattbar» seien.
Wie begleiten wir also Belastungen in einer Weise, dass sie keine Krisen, sondern Entwicklungsmöglichkeiten sind? Kassilis meint dazu: «Wir brauchen ein Regelwerk, das uns unterstützt, wenn es wirklich schwierig wird. Resilienz kann auf- und abgebaut werden, sie stellt sich nicht von selbst ein – es geht um die individuellen, sozialen und gesellschaftlichen Schritte, die notwendig sind, damit ein System resilient wird. Veränderungen hin zu Resilienz brauchen Zeit.» Empirisch verifiziert sei, dass nicht nur mehr Schutzfaktoren zugelegt werden sollten, sondern auch die Risikofaktoren reduziert werden müssten. Das Management des Risikos ist demnach ein zentraler Bereich von Resilienzförderung. Allgemeine Resilienzlisten und -empfehlungen seien mit keiner Studie weltweit bewiesen. Vielmehr sollten wir uns spezifisch fragen, wer braucht was und wer kann was geben?
Danach folgte eine Podiumsdiskussion mit Wassilis Kassis und den weiteren Gästen des Abends, Unternehmerin Miriam Ragaz-Gassler, Kantonsrat und Präsident des Verbandes Lehrerinnen und Lehrer Solothurn Mathias Stricker sowie Spitalseelsorger Urs Rickenbacher. Worin sehen die Podiumsteilnehmenden Herausforderungen? Wo soll eine wirksame Resilienzförderung ansetzen? Moderiert wurde die Diskussion von Sandra Hungerbühler, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Regio Energie.
Mathias Stricker berichtete, wie er persönlich im Berufsalltag eine wertschätzende Beziehungsarbeit mit seinen Schüler*innen leistet, indem er sich für sie interessiert, ihre Stärken unterstützt und ihnen Hand und Raum für Einzelgespräche bietet. Er betonte die Notwendigkeit, Resilienzthemen sowohl in der Ausbildung von Lehrpersonen als auch im Unterricht – getragen von der Schulleitung – einzubinden. Stricker fügte an, dass dabei jedoch die Schule nicht die «Reparaturwerkstatt der Gesellschaft» sein könne.
Miriam Ragaz-Gassler erläuterte persönliche Erfahrungen als Geschäftsleiterin und Personalverantwortliche mit dem Thema Resilienz am Arbeitsplatz. Sie plädiert dafür, die Probleme anzugehen, wenn sich noch klein seien. Dies bedinge eine offene und zugängliche Unternehmenskultur mit entsprechenden niederschwelligen Unterstützungsangeboten.
Urs Rickenbacher stellt in seiner Familienbegleitungstätigkeit fest, dass Kinder und Jugendliche aus schwierigen Familienverhältnissen einen Ausweg fänden, wenn sie ermutigt würden und die Gewissheit hätten, dass es für sie einen Platz in der Gesellschaft gäbe. Er wünscht sich einen Ansatz hin zu «Caring Communities», wo man auch ausserhalb von Familienstrukturen füreinander da sei, weil diese heutzutage nicht mehr grundsätzlich verfügbar seien.
Präsident Thomas Steiner bedankte sich am Ende der Veranstaltung bei allen Beteiligten und den Besucher*innen und erwähnte die von Caritas Solothurn geschaffenen Netzwerke wie die «mit mir»-Patenschaften für benachteiligte Kinder sowie das Mentoringprojekt Co-Pilot zur Unterstützung von Migrant*innen.
Vor dem Apéro für die Anwesenden folgte ein letztes musikalisches Zwischenspiel des Trio Hinterwäldler, das dem Anlass mit seiner besonderen Mundart-Hillbilly-/Bluegrass-Musik einen passenden Rahmen geboten hat.
Autorin: Dana Mostosi