
20.12.2024
Expert*innen für Integrationsfragen
Caritas Aargau begleitet im Auftrag von Aargauer Gemeinden anerkannte Flüchtlinge auf dem anspruchsvollen Weg der Integration. Was sind besondere Herausforderungen dieser Arbeit? Ein Interview mit Isabelle Egger, Leiterin der Flüchtlingsberatung bei Caritas Aargau.
Isabelle Egger, welche Dienstleistungen bietet Caritas den Gemeinden im Aargau an?
Politische Gemeinden in der Schweiz haben einen gesetzlichen Sozialhilfeauftrag gegenüber den bei ihnen wohnhaften anerkannten sowie vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen. Zu dieser Verpflichtung gehören sowohl die Sicherung der materiellen Unterstützung durch die Sozialhilfe als auch ein Coaching bei der Integration. Caritas Aargau bietet im Kanton die rechtskonforme Umsetzung dieses Auftrags an.
Unsere Aufgabe ist es, die Gespräche mit den betroffenen Personen zu führen und eine korrekte Anwendung von Rechten und Pflichten zu gewährleisten. Die Gemeinden haben bei der Gestaltung der diversen Massnahmen jeweils einen gewissen Ermessensspielraum. Durch unsere Erfahrung und Vernetzung im Kanton können wir vermitteln und Gemeinden beraten, wie sie die Integrationsschritte nachhaltig und zielgerichtet planen können.
Wie sieht die Arbeit mit den Klient*innen aus?
Die Mitarbeitenden der Flüchtlingsberatung sind regelmässig mit den betroffenen Einzelpersonen und Familien in Kontakt und sind wichtige Ansprechpersonen für sie. Die Sozialarbeiter*innen übernehmen die «Fallführung» und gleisen gemäss dem individuellen, vom Kanton festgelegten Integrationsplan Massnahmen auf, zum Beispiel die Teilnahme an Sprachkursen. Unsere Mitarbeitenden unterstützen die Klient*innen in den Bereichen Wohnen, Gesundheit, Sprache, Familie, Bildung, Arbeit und Finanzen.
Beispielsweise helfen sie bei der Korrespondenz mit Vermietenden, bei der Prüfung von Arbeitsverträgen und Lohnabrechnungen, bei der Organisation von Arztterminen und der Geltendmachung von Krankenkassenleistungen oder beim Kontakt mit Schule und Lehrpersonen. Dabei sind sie an die Vorgaben des Kantons gebunden und sprechen sich in Zweifelsfällen mit diesem ab.
«Sich als geflüchtete Person in der Schweiz einzuleben, ist ein anspruchsvoller Prozess. Der Druck, sich zu integrieren, ist erheblich.»
Wie ist die Lebenssituation der Menschen, die in der Flüchtlingsberatung beraten werden?
Unsere Klient*innen sind überall in der Gesellschaft anzutreffen. Den Wohnort im Kanton können anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge selbst wählen. Die meisten Erwachsenen arbeiten – allerdings häufig im Niedriglohnsektor, was eine Ablösung von der Sozialhilfe schwierig macht. Bei gut ausgebildeten Personen geht es oft um die Anerkennung ihrer Bildungs und Berufsabschlüsse. Das Ziel des Coachings ist es, dass jede Person bestmöglich am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Schweiz teilhaben kann.
Die Arbeit an der Integration ist für Geflüchtete besonders zu Beginn sehr intensiv. So sind unsere Klient*innen beispielsweise immer wieder aufgefordert, Zwischenziele zu erreichen, Sprachkurse zu besuchen, sich um Ausbildungsplätze zu bemühen usw. Viele Termine und Verpflichtungen laufen parallel. Integration ist ein langer und anspruchsvoller Prozess. Der Druck, sich in der Schweiz einzuleben, ist nicht unerheblich. Es braucht viel Unterstützung seitens der Gesellschaft, damit der Prozess gelingt. Daher sind wir sehr dankbar, dass wir bei Caritas auf Freiwillige zählen können, die Menschen helfen, in unserer Gesellschaft Fuss zu fassen.
«Wir sind sehr dankbar, dass wir auf Freiwillige zählen können, die Menschen dabei helfen, in unserer Gesellschaft Fuss zu fassen.»
Was spricht aus der Sicht von Gemeinden dafür, mit Caritas zu arbeiten?
Zum einen bewegen wir uns in einem dynamischen Umfeld: Je nach der weltweiten politischen Lage gibt es Zeiten, in denen besonders viele Menschen Zuflucht auch in der Schweiz suchen. Caritas kann recht flexibel reagieren und Schwankungen auffangen. Unter anderem sind zwei Dolmetschende bei Caritas Aargau fest angestellt. Vor allem aber wird das Thema Integration immer komplexer. Es braucht viel Knowhow, um eine rechtskonforme Fallführung zu garantieren, was für kleinere Gemeinden oft aufwendig ist.
Wir sind Expert*innen in dem Bereich, kennen die Angebote, sind gut vernetzt und können mit Argumenten überzeugen und Lösungen finden. In der Regel fühlen sich die Klient*innen bei uns gut aufgehoben und haben Vertrauen in unsere Kompetenzen. Sie wissen, dass wir sie alle gleich behandeln und dass sie sich auf unsere Auskünfte verlassen können. Das ist für die Beteiligten auf dem Weg zur Integration hilfreich.
Die Flüchtlingsberatung bei Caritas Aargau:
- In der Flüchtlingsberatung von Caritas Aargau werden anerkannte Flüchtlinge mit aufenthaltsrechtlichem Status B und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge mit Status F fünf bzw. sieben Jahre lang bei der Integration begleitet.
- 2024 waren zwölf Mitarbeitende in der Beratung zusammen mit zehn Dolmetschenden und vier Mitarbeitenden in der Administration für rund 650 Personen aus 17 Vertragsgemeinden im Kanton tätig. Die Standorte der Beratungen sind in Aarau und Baden.
Die Klient*innen stammen vorwiegend aus der Türkei, Afghanistan oder Syrien.
Text und Foto: Nathalie Philipp
aus: Magazin «Caritas regional» 2024/2
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