03.05.2024
Für einen solidarischen Kanton Aargau
Seit Dezember 2023 ist Elisabeth Burgener die neue Präsidentin des Vereins Caritas Aargau. Die ehemalige Grossratspräsidentin und engagierte Sozialpolitikerin kennt auch als Sozialarbeiterin die strukturellen Zusammenhänge der Armut in der Schweiz sowie die persönlichen Herausforderungen von Betroffenen. Ein Interview.
Möchten Sie sich kurz vorstellen? Was zeichnet Sie aus und was tun Sie in Ihrer Freizeit?
Ich spinne gerne Fäden in meinen Beziehungsnetzen, zu denen meine Familie mit unseren zwei erwachsenen Töchtern, meine Freund*innen und mein berufliches sowie politisches Umfeld gehören. Gern besuche ich kulturelle Anlässe, insbesondere im Kleinkunstbereich, und ich bin viel mit dem Velo, der Bahn und zu Fuss unterwegs, unter anderem in den Rebbergen meiner Wohngemeinde Gipf-Oberfrick oder in den Bergen.
Wie haben Sie Caritas bisher wahrgenommen?
Es gab verschiedene Berührungspunkte: Als Sozialpolitikerin hatte ich immer wieder mit Caritas Aargau zu tun, sei es an verschiedenen Anlässen oder im Rahmen von politischen und Freiwilligen-Netzwerken oder wenn ich als Mentorin der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) Praktikant*innen an ihren Caritas-Standorten besuchte. Auch privat kenne ich einige Personen, die bei Caritas Aargau arbeiteten. Caritas begleitete mich irgendwie immer, weil das Hilfswerk ein wichtiger Garant für einen sozialen Aargau ist.
Was motiviert Sie für das Amt der Präsidentin?
Gerne zitiere ich Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss, die mir ein Vorbild ist. Sie sagt: «Meine Haltung ist geprägt von der Moral des Ausgleichs. Ich fühle mich den Zerbrechlichen immer mehr verpflichtet als allen anderen. Moral hat für mich mit Menschenwürde, Menschenrechten und Frieden zu tun. Menschen dürfen niemals zur Sache entwürdigt werden.»
Als Sozialpolitikerin und Sozialarbeiterin habe ich mich für den solidarischen Ausgleich und für eine gerechte Verteilung engagiert. Ich freue mich, diese Arbeit nun bei Caritas Aargau fortzusetzen. Caritas Aargau ist als innovatives, dynamisches Hilfswerk ein wichtiges soziales Unternehmen mit einem Dienstleistungsangebot, auf das unser Kanton nicht verzichten kann. Dies braucht entsprechende Rahmenbedingungen, für die ich mich gerne einsetze und meinen Beitrag leiste.
«Hoffnungsvoll stimmen mich immer wieder die Zusammenarbeit in Teams und der gemeinsame Glaube an Menschlichkeit und Solidarität.»
Sie waren lange politisch aktiv, 16 Jahre als Mitglied der SP-Fraktion im Grossen Rat des Kantons Aargau und 2022 als Grossratspräsidentin.
Wie erleben Sie das hiesige politische Klima?
Das politische Klima im Aargau empfinde ich als herausfordernd, durchaus aber auch als spannend. Ich habe in meinen vielen politischen Jahren und in den verschiedenen Rollen, die ich hatte, einiges erlebt und die Erfahrung gemacht, dass Geduld und Beziehungsarbeit wichtig sind. Ich konnte mithelfen, dass in sozialen Bereichen nicht nur abgebaut und gespart wurde, sondern dass ab und zu sogar eine Mehrheit ein soziales Anliegen unterstützte. Mit meinem Netzwerk und meinen Erfahrungen hoffe ich, dass ich Caritas Aargau bei ihrer wichtigen Arbeit unterstützen kann.
Sie sind Soziokulturelle Animatorin und Sozialarbeiterin.
Inwiefern sind Sie mit den persönlichen Herausforderungen von Armutsbetroffenen in Berührung gekommen?
Ich habe in verschiedenen Berufsfeldern gearbeitet: in der Jugendarbeit, in der aufsuchenden Sozialarbeit, in einer sozialpädagogischen Institution – und seit über zehn Jahren nun in der Lehre an der FHNW sowie im Sonderschulbereich. Dabei habe ich viele Menschen in schwierigen Situationen kennengelernt. Was mich sehr beschäftigt, ist die Familienarmut. In der Schweiz sind rund 160 000 Frauen und Männer mit ihren 134 000 Kindern trotz Erwerbsarbeit arm. Sechs Generationen braucht eine Familie in der Schweiz, um der Armut zu entkommen, in Skandinavien sind es zwei.
Hoffnungsvoll jedoch stimmen mich immer wieder die Zusammenarbeit in Teams oder mit meinen Studierenden, das gemeinsame Brennen für eine Verbesserung oder ein Hilfsangebot und der gemeinsame Glaube an Menschlichkeit und Solidarität.
Wie sehen Ihre Visionen für Caritas Aargau aus? Was sind Ihre nächsten Schritte?
Im Dezember 2023 habe ich als Präsidentin gestartet und bin nun dabei, den Vorstand und die Geschäftsleitung kennenzulernen und sie im Tagesgeschäft zu unterstützen. Seit Januar wird Caritas Aargau in einer Co-Geschäftsleitung von Fabienne Notter und Emil Inauen geführt. Gerne möchte ich auch die verschiedenen Bereiche, die zu Caritas Aargau gehören, besuchen.
Und natürlich interessiert es mich, sozialpolitische Themen wie die Armut, soziale Ungleichheit und schwierige Bedingungen für Migrant*innen anzugehen. Es gibt im Kanton Aargau noch viel zu tun.